10. Oktober 2018, 11:35 Uhr
Ein altes Segelschiff liegt im Neuen Hafen in Bremerhaven, direkt vor dem Deutschen Auswandererhaus. Weiß abgesetzter, schwarz gestrichener Holzrumpf, Mast, weißes Rettungsboot, Holzdeck – die "Grönland", das Schiff der ersten deutschen Polarexpedition. 1868 trug es den jungen Kapitän Carl Koldewey und seine Mannschaft bis vor die grönländische Küste. Am 10. Oktober 1868, vor genau 150 Jahren, kehrte es nach Bremerhaven zurück. Catharina Spethmann über die Geschichte der "Grönland" und seine Bedeutung für die deutsche Polarforschung.
Deutschlands ältestes Polarforschungsschiff "Grönland"
Die "Grönland" dümpelt ruhig im Wasser des Neuen Hafens vor sich hin. Eine Nussschale ist sie zwar nicht gerade mit ihren knapp 26 Metern – aber damit durchs Eis bis nach Grönland fahren? Carl Koldewey, Kapitän, Astronomie-Student und designierter Expeditionsleiter der ersten deutschen Polarexpedition, hatte 1868 keine Bedenken.
Das Schiff, die "Jagt Grönland", war für die Eisfahrt durch folgende Verstärkungen tauglich gemacht: Vom Buge bis hinter den Mast hatte dasselbe eine fichtene dreizöllige Haut erhalten, die mit Eisenplatten belegt ist; innen im Schiff sind drei Fuss unter den Deckenbalken von vorn bis hinten zwei starke Leibhölzer gelegt. Das Schiff hat einen neuen Mast bekommen und die Takelage ist überall neu bekleidet und versehen; ferner sind zwei starke eiserne Pumpen eingesetzt.
Carl Koldewey, Kapitän der "Grönland"
Die "Grönland" wurde 1868 als Robbenfänger gebaut. Koldewey kaufte die nordische Jagt praktisch frisch von der Werft und kümmerte sich um die Ausstattung des Seglers für seine Expedition. Initiiert hatte das ganze Unternehmen August Petermann, Herausgeber der Monatsschrift "Geographische Mitteilungen". Das nötige Geld kam von polarbegeisterten Spendern, weiß Reinhard Krause, Wissenschaftshistoriker am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut:
Das heißt, die erste deutsche Polarexpedition war eine Bürgerinitiative im wahrsten Sinne des Wortes. Das gesamte Geld ist also durch Spenden aufgebracht worden.
Reinhard Krause, Wissenschaftshistoriker
Am 24. Mai 1968 stach Koldewey von Bergen aus in See. Er war Kapitän und gleichzeitig wissenschaftlicher Fahrtleiter. An Bord außerdem: vier deutsche und zwei norwegische Matrosen – und ein holländischer Koch. In seinem Expeditionsbericht lobt Koldewey gerade die geringe Größe des Schiffes: praktisch beim Manövrieren zwischen Eisfeldern, aber sie bekam zunächst nicht allen Besatzungsmitgliedern.
Die Meisten von der Mannschaft waren es nicht gewohnt, auf kleinen Schiffen zu fahren und wurden etwas seekrank. Selbst Sengstacke, ein so durchwetterter und geschulter Seemann wie nur einer, konnte es öfters nicht unterlassen, recht angelegentlich in das Wasser zu sehen, als wenn er die Geheimnisse der Tiefe gründlich erforschen wollte.
Carl Koldewey
Es kam noch viel schlimmer:
Der Wind, statt nachzulassen, wurde immer heftiger und war am 9. Juni vormittags zu schwerem Sturm angewachsen. Heftige Schneegestöber erlaubten uns nicht, sehr weit zu sehen. Indess bemerkten wir, dass das Eis sich mehr und mehr zusammensetzte. Um Mittag sahen wir in südlicher Richtung etwas freieres Wasser, mussten jedoch, um dasselbe zu erreichen, eine Reihe dicht zusammengepackter Schollen mit Gewalt durchbrechen. Es gelang, doch erhielt das Schiff dabei so heftige Stöße, dass die Eisenplatten vorn am Steven losgerissen wurden und sich wie Papier umkrüllten.
Carl Koldewey
Ihr Ziel – die ostgrönländische Küste – erreichen sie trotz aller Anstrengungen nicht. Zweimal kommen sie bis auf Sichtweite heran, werden aber vom Eisstrom vor der Küste nach Süden weggetrieben. Trotzdem galt und gilt die abenteuerliche Expedition als Erfolg – und als Beginn der deutschen Polarforschung.
Nach Kapitän Koldewey ist die Forschungsstation des Alfred-Wegener-Instituts auf Spitzbergen, im Ny Ålesund, benannt. Die "Grönland" sieht heute wieder so aus wie 1868. Sie wurde 1973 vom Deutschen Schifffahrtsmuseum gekauft und in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. In Bremerhaven liegt sie seitdem am Kai im Neuen Hafen.
Ein Beitrag von Catharina Spethmann:
Vor 150 Jahren kehrte die "Grönland" aus dem Polarmeer zurück, [3:28]
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 10. Oktober 2018, 11:35 Uhr
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