Denken Sie manchmal darüber nach, wer die Leute sind, denen sie im Alltag begegnen? Verbrecher sind unter uns. Nachbarn können zu Mördern werden und Mitschüler zu Dieben. Das hat offenbar auch die Autorin Wiebke Lorenz beschäftigt – denn in ihrem neuen Psychothriller geht es um eine ganz gewöhnliche Straße in Hamburg in der ganz unheimliche Dinge passieren. Anja Goerz hat ihn gelesen.
Audio: Wiebke Lorenz: Einer wird sterben
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Da steht ein Auto. Das klingt im ersten Moment vielleicht nicht so unglaublich gruselig, aber es steht immer da – egal, ob Stella nach Hause kommt, ihr Haus verlässt oder aus dem Fenster sieht. Ein schwarzes Auto, geparkt in der sehr ruhigen Wohnstraße, ein Mann und eine Frau sitzen darin, und Stella ist sicher, dass sie ihretwegen dort sind. Das ist natürlich beängstigend, denn Stella ist allein zu Hause, ihr Mann ist verreist. Sie kann mit niemandem sprechen und niemanden um Hilfe bitten, denn wenn sie Recht hat, dann muss sie dafür sorgen, dass niemand erfährt, warum das Auto dort steht.
Vorsichtig ausgedrückt, damit ich nicht zu viel verrate: Weil sie sich selbst damit in ein ganz anderes Licht vor Nachbarn und Freunden rücken würde. Denn es gab in ihrer Vergangenheit einen schweren Unfall. Diese schreckliche Nacht vor sechs Jahren hat sie nicht vergessen. Wird sie auch nie, denn damals starb ein Mensch. Und rund um diese Ereignisse gibt es einige Geheimnisse, die auch Geheimnisse bleiben sollen.
Ja, aber zunächst mal machen die die ganze Nachbarschaft nervös. Und da entblättern sich nach und nach in den ach-so-netten-Häuschen wahre Dramen. Was sich da hinter sorgfältig gestutzten Hecken und Designergardinen abspielt, das erfährt die Hauptfigur Stella nach und nach und das macht die Gesamtsituation für sie nicht gerade einfacher. Denn da haben auch andere Dreck am Stecken, über den er nicht reden will. Und um von sich selbst abzulenken, rückt man dann doch lieber der Frau auf die Pelle, die scheinbar irgendeine Verbindung zu diesem seltsamen schwarzen Auto hat.
Das ist sehr gut beobachtet. Für Stella wird es immer enger, sie will natürlich nicht, dass ihr Geheimnis gelüftet wird, aber sie hat auch keine Idee, wie sie genau das verhindern kann. Hinzu kommt eine tatsächliche Bedrohung, sie wird abends von einem Unbekannten angegriffen, einer der Nachbarn lässt sie nicht mehr aus den Augen und die beiden aus dem Auto entpuppen sich schließlich als Menschen, die Stella sehr gut kennt. Das aber erst ganz am Ende der Geschichte, bis dahin muss man noch durch einige menschliche Abgründe waten.
Wiebke Lorenz weiß, wie es geht. Das alltägliche gruselig anzustreichen und aus ganz gewöhnlichen Menschen mutmaßliche Verbrecher zu machen – das macht sie sehr elegant. Unterhaltsam und kurzweilig geschrieben, mit dem nötigen Kribbeln und der Spannung, so dass man unbedingt wissen will, was Auslöser für die Geschichte war. Bekannt geworden ist Wiebke Lorenz übrigens vor einigen Jahren als Autorin von unterhaltsamen Romanen, die sie zusammen mit ihrer Schwester unter dem Pseudonym Anne Herz geschrieben hat.
Dieser neue Krimi ist aber bereits ihr vierter Thriller und durch die Mischung von Unterhaltung und dem besonderen Blick auf das eigentlich Gewöhnliche schafft sie es, dass man nach dem Lesen die Menschen, die vor einem an der Kasse stehen ganz anders betrachtet.
Buch-Infos:
Wiebke Lorenz: "Einer wird sterben", Scherz Verlag, 352 Seiten, 14,99 Euro
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 14. Februar 2018, 8:36 Uhr
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